Stille Reserven sind rechnerische Bewertungsdifferenzen von Aktiven und Passiven in der Bilanz. Diese entstehen durch die Unterbewertung von Aktiven oder die Überbewertung von Passiven.

Aufgrund des Vorsichtsprinzips im Obligationenrecht ist die Bildung von stillen Reserven aus Sicht Rechnungslegung zulässig (OR 959a, OR 960a, OR 960e). Hier einige Beispiele und Erläuterungen. 

Unterbewertung der Aktiven

Zu einer Unterbewertung der Aktiven führen die folgenden Vorgänge:

  • Übermässige Abschreibungen:  Auf der Aktivseite können noch Reserven durch übermässige Abschreibungen gebildet werden. Sie entstehen im Umfang, in dem die Abschreibung die tatsächliche Wertverminderung des Aktivums übersteigt.
  • Keine Aktivierung:  Stille Reserven können auch durch Nichtaktivierung von Wirtschaftsgütern gebildet werden. Solche stillen Reserven entstehen vor allem im Zusammenhang mit dem Erwerb von Wirtschaftsgütern, die, obwohl sie zu aktivieren wären, als Aufwand verbucht werden. (Beachte Aktivierungspflicht gemäss Rechnungslegungsrecht).
  • Kapitaleinlagen:  Stille Reserven können auch durch verdeckte Kapitaleinlagen eines Teilhabers einer Personengesellschaft oder eines realisierten einer Kapitalgesellschaft entstehen.
  • Wertsteigerung eines Aktivums:  Stille Reserven können auch ohne aktives Zutun des Unternehmers oder Gesellschafters entstehen. Dies geschieht in der Regel insbesondere dann, wenn ein Aktivum aufgrund der Marktsituation eine Wertsteigerung erfährt, buchmäßig aber unverändert zum alten Wert verbucht bleibt.
  • Goodwill:  Eine besondere Art von stillen Reserven bildet der Goodwill. Der Goodwill entspricht dem Wert, der einem Unternehmen aufgrund seiner Kundschaft, seines Know-hows, seiner Geschäftslage, seines Renommees etc. zukommt. Da die im Goodwill liegenden Stillen Reserven nicht durch Unterbewertung der Wirtschaftsgüter entstehen, sondern durch die wirtschaftliche Aktivität des gesamten Unternehmens, stellt sich die Frage ihrer Realisierung in der Regel auch erst zum Zeitpunkt der Veräußerung des Unternehmens oder bei einer Unternehmenstransaktion. Jeweils wenn eine Unternehmensbewertung erstellt wird.

 Überbewertung der Passiven

Zu einer Überbewertung der Produktqualitäten führen folgende Vorgänge:

  • Rückstellungen:  Auf der Passivseite können stille Reserven durch geschäftsmäßig nicht begründete Rückstellungen gebildet werden. Sie entstehen im Umfang der Differenz zwischen den vorgenommenen Rückstellungen und jener Rückstellung, die zur Abdeckung des tatsächlichen Risikos erforderlich wäre.
  • Überbewertung von Schulden:  Stille Reserven können auch durch Überbewertung von Schulden entstehen. Die Bildung solcher stillen Reserven erfolgt meist im Zusammenhang mit der Bewertung von preiswerten in fremder Währung mit der Begründung eines Wechselkursrisikos.
  • Fiktive Schulden:  Der Ausweis fiktiver Schulden ist unzulässig. Dies ergibt sich zwar nicht explizit, jedoch immerhin indirekt aus dem Gesetz und insbesondere aus der Botschaft zum Rechnungslegungsrecht (vgl. PETER BÖCKLI, Neue OR-Rechnungslegung - Herausgegriffene Probleme und Lösungsansätze, in: ST 11/2012, S. 831 neuen Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht und Rechnungslegungsrecht sowie Anpassungen im Recht der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, im GmbH-Recht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie Firmenrecht) vom  21.10.2007,  1705, Ziff. 2.2.2.).
  • Wertminderung einer verkauften Ware:  Auf der Passivseite können auch stille Reserven entstehen, ohne aktives Zutun des Unternehmers oder Gesellschafters. Dies geschieht, wenn der tatsächliche Wert eines Angebots sinkt, buchmäßig aber nach wie vor der Nominalwert eingehalten wird. Solche stillen Reserven entstehen vor allem im Zusammenhang mit Konditionen, die auf inflationsgefährdete fremde Währungen lauten.